Viele Startups setzen großartige Ideen um, die dann jedoch daran scheitern, keine Abnehmer zu finden. Das Problem liegt oft in einer mangelnden Marktanpassung der Produkte: Gibt es keinen Bedarf oder deckt das Produkt den bestehenden Bedarf nur unzureichend, wird es schwer, den Break-Even-Point zu erreichen. Sind Produkt und Markt jedoch optimal aufeinander abgestimmt, können Unternehmen beginnen zu skalieren.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie den Product-Market-Fit erreichen und wie die Product-Market-Fit Canvas Sie dabei unterstützen kann.
Definition: Was ist Product-Market-Fit?
Unter dem Product-Market-Fit (kurz: PMF) wird die Phase zwischen Lern- und Wachstumsphase verstanden. In dieser Zeit schafft es ein Unternehmen, die optimale Produktlösung auf dem besten Absatzmarkt gewinnbringend zu verkaufen. Den Product-Market-Fit könnte man auf Deutsch als die Markteignung eines Produkts bezeichnen.
Das Nutzenversprechen (Value Proposition) stimmt mit den Kundenerwartungen überein und das Produkt passt genau zum Markt, in den das Unternehmen eingetreten ist. Darüber hinaus sind jedoch auch Kommunikationsstrategie, Preiskalkulation und weitere Rahmenbedingungen ideal darauf ausgerichtet, das Produkt zu verkaufen.
Während des Product-Market-Fits steigt die Nachfrage, weshalb die Skalierung des Unternehmens nun der nächste Schritt auf dem Weg zum Erfolg ist.
Ist ein Produkt auf dem Markt und wird gekauft, jedoch schnell von der Kundschaft verworfen, weil es schwer zu bedienen ist oder Mängel aufweist, hat das Unternehmen den Product-Market-Fit verfehlt. Bevor der PMF erreicht ist, können Unternehmen nicht in die Wachstumsphase übergehen.
Value Features vs. Hygiene Factors
Beim Product-Market-Fit wirken zwei Kräfte der Kundschaft gegeneinander. Das ist auf der einen Seite der Kundennutzen (Value Feature). Besitzt ein Produkt eine Funktion, die dem Kaufenden einen Mehrwert bietet, hat es einen hohen Nutzen und ist somit attraktiver. Auf der anderen Seite steht der Widerstand (ausgedrückt in fehlenden Hygiene Factors), der die Kaufbereitschaft abschwächt. Das können beispielsweise fehlende Funktionalitäten, ein nicht eintretendes Nutzenversprechen oder Mängel am neuen Produkt sein.
Um den Product-Market-Fit zu erreichen, müssen Start-ups es schaffen, dass der Kundennutzen größer ist als der Widerstand. Ein Produkt muss entsprechend sowohl mit Hygiene-Faktoren als auch mit Value Features ausgestattet sein. Ein wichtiger Aspekt ist daher die Aufnahme von Kundenfeedback, um nicht im Trüben zu fischen. Nur so kann schließlich eine nutzerzentrierte Lösung geschaffen werden.
Anzeichen für den Erfolg und Misserfolg von PMF
Unternehmen bewegen sich nach dem amerikanischen Investor Marc Andreessen zwischen der Before-Product-Market-Fit-Phase (BPMF) und der After-Product-Market-Fit-Phase (APMF). Der Übergang zwischen den beiden Phasen ist für Unternehmen eine wichtige Schwelle, denn sie markiert den Zeitpunkt, an dem sie ein gewinnbringendes Produkt besitzen und skalieren können. Doch wie lässt sich das Ende der BPMF-Phase erkennen?
Das wohl markanteste Anzeichen für das Erreichen des PMFs ist die steigende Nachfrage. Darüber hinaus werden Customer Statements, also Kundenaussagen, herangezogen. Eine Theorie geht auf den Unternehmer Sean Ellis zurück und besagt, dass der Product-Market-Fit erreicht ist, sobald 40 Prozent der Kundschaft angeben, dass sie enttäuscht wären, würde es das Produkt nicht mehr geben. Ebenfalls ein Beweis für den PMF sind ein erhöhtes Engagement, Wiederholungskäufe (Retention) sowie stetige Nutzung des Produkts.
Im Umkehrschluss ist der PMF verfehlt, wenn:
die Anzahl der Neukunden stagniert oder nur schleppend steigt
Wiederholungskäufe ausbleiben
Kunden das Produkt kauften, aber nicht nutzen
Kunden unzufrieden sind
die Churn Rate hoch ist
der Return-on-Investment (ROI) negativ bleibt
Mittels MVP herausfinden, was Kunden wollen
Das Minimum Viable Product (kurz: MVP) ist eine wichtige Methode des Lean-Startup-Ansatzes, um einen guten Product-Market-Fit zu erreichen. Dabei geht es darum, ein minimales Produkt, das dennoch einsatzfähig (viable) ist, an die Kundschaft zu bringen und Feedback zu sammeln. Ein Softwareanbieter launcht beispielsweise zunächst eine Landingpage mit den wichtigsten Features, um den Nutzern einen Einblick in das neue Tool zu geben. Schließlich sammelt er Kundenmeinungen, um die Stärken und Schwächen des Produktes zu erkennen.
Das MVP kann je nach Branche unterschiedliche Formen annehmen. Denkbar sind:
Mock-ups (für Onlineshops)
Prototypen (für physische Produkte)
Landingpages (für Software) oder
Beta-Versionen (für Apps)
Um ein MVP anzulegen, müssen Unternehmen zunächst die Product-Market-Fit Canvas ausfüllen. Sie bietet eine wichtige Grundlage für strategische und operative Entscheidungen über sämtliche Unternehmensbereiche hinweg.
Wie Sie eine Product-Market-Fit Canvas nutzen – und warum
Mit der Product-Market-Fit Canvas (auch Product-Market-Fit Playbook) finden Unternehmen heraus, wie gut ihr Produkt zum Zielmarkt passt und ob es ein Kundenbedürfnis erfüllt. Die Methode findet bei Product-Releases, Produktneuheiten sowie innerhalb der Optimierungsphase Anwendung. Die Metrik hilft Unternehmen, das Produkt ganzheitlich zu bewerten – im Hinblick auf Kundennutzen, Kundenwünsche sowie Nachfrage am Markt.
Unterteilt ist die PMF-Canvas daher in zwei Kategorien: zum einen die Produkt- und zum anderen die Kundenseite.
Die Kundenseite befasst sich mit folgenden Fragen:
Kundennutzen und Charakteristika: Wer sind die Kunden und was wünschen sie sich?
Probleme/Kundenwünsche: Welche Pain Points hat die Kundschaft und wie kann das Produkt helfen?
Absatzkanal: Wo werden die potentiellen Kunden erreicht? Wo suchen sie nach Produkten?
User Experience: Wie wird das Leistungsversprechen umgesetzt und vom Kunden empfunden?
Auf der Produktseite werden dem gegenübergestellt:
Alternativen: Welche Lösungen nutzt die Kundschaft derzeit? Was wurde bereits unternommen, um das Problem zu beheben?
Hauptmerkmale: Was muss das Produkt unbedingt besitzen, um die Kundenbedürfnisse zu befriedigen?
Absatzwert: Wie groß wird der Absatz sein, sobald das Produkt beim Zielkunden verkauft wird?
Metriken: Was sind die wichtigsten Kennzahlen, die gemessen werden müssen? Bestätigen die Metriken den Product-Market-Fit?
Schritt 1: Kunden verstehen und Problem Solution Fit finden
Im ersten Schritt der Product-Market-Fit Canvas geht es also erst einmal darum, einen Problem Solution Fit zu finden. Dazu ist es notwendig, die eigene Kundschaft zu verstehen und ein Bedürfnis zu identifizieren, für das das Produkt eine Lösung bietet.
Findet ein Unternehmen die ideale Lösung, die von der Kundschaft dankend angenommen wird, wird vom Product Solution Fit gesprochen. Dieser ist enorm wichtig, damit Produkte in den Markt eingeführt werden, die auch tatsächlich einen Absatz finden. Bestimmen Unternehmen nicht die Bedürfnisse und Pain Points ihrer Zielgruppe, werden sie auch keine nutzerorientierten Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt bringen können.
Schritt 2: Prototyp erstellen und Feedback einholen
Ist das Kundenbedürfnis erst einmal identifiziert, geht es an die Erstellung eines Prototypen. Dieser sollte bereits alle wichtigen Funktionen enthalten, damit sich Unternehmen realistisches Feedback von den Verbrauchern einholen können. Doch um die Kosten überschaubar zu halten, reicht die Entwicklung des oben beschriebenen MVPs vollkommen aus.
Die Testphase bietet wichtige Kenntnisse über die finale Gestaltung des Produktes sowie der Customer Experience. Mehrere Optimierungsschleifen sorgen für ein besonders ausgereiftes Produkt, das stetig besser an die Kundenansprüche angepasst wird.
Product Market Fit mit der Lean Product Pyramid erreichen
Um Gründern und Produktmanagern zu helfen, den Product-Market-Fit zu erreichen, hat der Lean-Management-Experte Dan Olsen ein Modell entwickelt: die Lean Product Pyramid. Sie besteht aus zwei Teilen und wird von unten nach oben bearbeitet.
Die Grundlage bildet bei der Lean Product Pyramid die Zielgruppe eines Produkts. Unternehmen sollten zunächst überlegen, wer ihr Produkt kaufen soll und warum. Die Verantwortlichen sollten sich also fragen, welche Eigenschaften, Pain Points und Bedürfnisse potenzielle Kunden haben und welche ihrer Bedürfnisse bisher unerfüllt sind.
Anschließend geht es darum, diese unerfüllten Bedürfnisse näher zu betrachten. Oft gibt es mehrere Wünsche, aber meist können nicht alle von einem einzigen Produkt erfüllt werden. Deshalb sollten Unternehmen sich auf die wichtigsten unerfüllten Kundenbedürfnisse konzentrieren. Dafür müssen sie diese anhand ihrer Wichtigkeit für den Kunden priorisieren. Steht die Reihenfolge, kann das Unternehmen quantifizieren, wie groß das jeweilige Problem und damit der Markt für das Produkt ist.
Der obere Teil der Pyramide befasst sich dann mit dem Produkt. Nun geht es daran, ein Nutzenversprechen für dieses zu formulieren, das auf die zuvor identifizierten Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Anschließend ist es Aufgabe des Produktmanagements, die Ausstattung des Produkts (das Feature Set) anhand eines Prototyps zu bestimmen. Wie bereits erwähnt, kann dieser Prototyp verschiedene Formen annehmen – vom Flyer bis zur Beta-Version einer App.
Abschließend sollten die Produktfunktionen so implementiert werden, dass sie die Verwendung des Produkts für Kunden zu einem angenehmen Erlebnis (User Experience, UX) machen.
Beispiele für Product-Market-Fit
Unternehmen mit Product-Market-Fit können diesen auf unterschiedliche Wege erreicht haben. Üblich ist es, auf einer guten Idee aufzubauen. Aber auch der sogenannte Pivot, bei dem die ursprüngliche Geschäftsidee komplett verändert wird, kommt immer wieder vor.
Ein Beispiel für die erste Variante liefert Spotify. Das schwedische Unternehmen hat das Bedürfnis von Menschen erkannt, Musik zu jeder Zeit und an jedem Ort abspielen zu wollen. Gezeigt hatte das zuvor bereits die Musiktauschbörse Napster. Daniel Ek, der Gründer von Spotify, war allerdings überzeugt, dass Nutzer bereit sein würden, eine geringe Gebühr für einen legalen Musikdienst zu zahlen. Dies stellte sich als wahr heraus. Inzwischen hat Spotify 236 Millionen zahlende Nutzerinnen und Nutzer.
Ganz anders verhielt es sich bei der Kollaborationsplattform Slack. Sie startete als ein Online-Videospiel namens Glitch. Der Gründer Stewart Butterfield erkannte nach einigen Monaten, dass das Spiel nicht profitabel sein würde und richtete das Unternehmen neu aus: Das Chatfenster in Glitch stellte die Basis für das neue Tool Slack dar. Aus diesem Pivot entwickelte sich im Laufe der Jahre eine umfangreiche Plattform, die heute Hunderttausenden von Unternehmen weltweit ortsunabhängige Zusammenarbeit ermöglicht.
Allerdings gelingt nicht jedem Unternehmen ein solcher Erfolg. Ein Beispiel für einen spektakulär misslungenen Product-Market-Fit kommt von der Coca-Cola Company. Der Weltkonzern entschied sich Mitte der 1980er-Jahre als Reaktion auf den zunehmenden Erfolg des Rivalen Pepsi, seine Cola mit einer neuen Rezeptur auf den Markt zu bringen. Allerdings missachtete er dabei die Wünsche seiner bestehenden Kunden, die an die alte Rezeptur gewohnt waren und das neue Produkt ablehnten. Weniger als drei Monate nach dem Launch von „New Coke“ nahm Coca-Cola das Produkt nach massiven Beschwerden der Kundschaft wieder vom Markt und kehrte zur ursprünglichen Rezeptur zurück.
Fazit: Product-Market-Fit hebelt die Wachstumsphase
Unternehmen, die ein Produkt erschaffen, dass schlichtweg nicht mehr wegzudenken ist, haben die Schwelle zur Wachstumsphase erreicht und den Product Market-Fit erfolgreich bestanden. Mithilfe der Product-Market-Fit Canvas identifizieren Unternehmen zunächst die Kundenbedürfnisse, um schließlich ein lösungsorientiertes Produkt anbieten zu können. Die Entwicklung eines MVPs ist dabei entscheidend, um das Kundenfeedback in der BPMF-Phase fortlaufend in Optimierungen einfließen zu lassen.